Happy Pride!

 


mit Eric, Jim und weiteren Kollegen am Segensstand

Letztes Wochenende war Pridefest in Milwaukee. Aber zunächst mal war mein Geburtstag! Mit Eric und Chris bin ich daher zu Mader's, einem deutschen Restaurant, gegangen. Dort gab es einen "Rhein-Teller" mit Gulasch und Schnitzel, der sich nun meinem prüfenden Auge und Gaumen stellen musste, ob er wahrhaftig das Prädikat "deutsch" verdient. Der Gulasch war okay, aber nicht in der von mir bevorzugten würzigen ungarischen Variante. Die Spätzle waren zu klein. Das Schnitzel hatte einen seltsam zusammengesetzten Mantel, nicht die orange-knusprige Variante, die ich kenne. Rotkraut und Sauerkraut waren überraschend gut. Hinterher gab es ein Stück Schwarzwälder Kirschtorte, das wir zudritt verzehrten, auch das war gut. Insgesamt würde ich die Note 8/10 für Qualität, 6/10 für Deutschheit geben. Einige von der Bedienung waren in Mieder oder Lederhose (oder einer Kombination davon) gekleidet - so wie für viele Europäer die Texaner den stereotypischen Amerikaner repräsentieren, so verhält es sich hier mit bayerischen Traditionen, die für ganz Deutschland stehen. Auch war draußen eine deutsche Flagge gehisst.


Prost!

Mit gefüllten Leibern sind wir dann beim Pridefest angekommen. Eine Gruppe von Religionsgemeinschaften (vor allem die UCC, aber auch andere Kirchen und eine jüdische Gemeinschaft) haben gemeinsam schon seit einigen Jahren einen Segensstand auf dem Festivalgelände. Zunächst war es einfach interessant, die bunte Vielfalt wahrzunehmen. Es gab jede Menge Musik,  Verpflegung, Verkaufsstände und viele Organisationen, die einen Stand hatten. Witzige T-Shirts ("Token Straight Friend"), verrückte Kostüme (von "Furries", also als Tierwesen gekleidete Leute) und Darbietungen von Drag Queens. 

Der Grund unserer Präsenz war zu zeigen, dass nicht alle Kirchen den bunten Lebensstil der LGBT-Gemeinschaft verurteilen - wir wollten Zeugnis ablegen für ein positives, annehmendes und inklusives Christentum, in dem alle willkommen sind (und mit "alle" meinen wir auch alle). Unsere Schicht ging für drei Stunden (15.00-18.00 Uhr) und es war ein lebhaftes Kommen und Gehen mit vielen Gesprächen und Segnungen für die Menschen, die dies wünschten. Um ins Gespräch zu kommen, gab es dafür auch ein "Segensmenü", auf dem man auswählen konnte, wie man über die Gottheit denkt und welche Bereiche im eigenen Leben ein bisschen Segen und Gebet gut gebrauchen könnten. Da zu unserer Gruppe auch Unitarier gehörten (eine Art post-christliche Kirche), gab es auch die Möglichkeit, Gott als Quantenphysik anzusprechen, was dann schon ein bisschen abgedreht war - eine gute Übung, sich nicht zu ernst zu nehmen und sich mal auf das "ganz Andere", das Gott ist, neu einzulassen...

Es gab aber auch einige Menschen, die über unsere Präsenz zunächst skeptisch waren, deren eigene streng christliche Erziehung sie stigmatisiert und traumatisiert hat, indem sie nicht ihre eigene Identität offen zeigen durften und die lieben durften, die sie eben liebten - weil sie das gleiche Geschlecht hatten. Viele winkten daher auch nur dankend ab, wenn sie unseren Stand passierten. Genau dies ist aber der Grund, warum wir da waren: Christentum muss nicht engstirnig und verurteilend sein. Insgesamt stand aber nicht Dogmatik, sondern Spaß und Lebenslust im Vordergrund.


Selfie mit Chris und einer Drag Queen

Geschlecht und Transsexualität, gleichgeschlechtliche Beziehungen, der Begriff Familie in seiner Komplexität und alle Schattierungen dazwischen - gerade als Christen sollten wir verstehen, dass die Konformität, die uns die Gesellschaft aufzuzwingen pflegt, nicht der Transformität entspricht, in die Gott uns hineinruft (Römer 12,2). Stand Jesus an der Straßenecke und rief Hassbotschaften aus? Nein, er aß mit denen, die von der Gesellschaft ausgestoßen und verachtet waren, hörte ihnen zu und heilte ihre Wunden. Und heute wie damals waren es die vermeintlich "Rechtgläubigen", die in ihrer Selbstgewissheit daran Anstoß nahmen...

So wurde uns denn auch, als wir abends das Gelände verließen, von "rechtgläubigen" Protestlern am Rande der Veranstaltung einige sehr nette Dinge zugerufen, besonders da wir als "Klerus" erkennbar waren. So bekam ich zu hören, ich sei von Satan verführt worden und bete einen falschen Gott an. (Ich würde sagen, ich bete den Gott an, den Jesus verkündet und stellvertretend gelebt hat - den Gott allumfassender Liebe bishin zur persönlichen Aufopferung - ein Gott, der unermüdlich darin ist, die Gebrochenheit menschlichen Daseins in neues Leben zu verwandeln.) Eric wurde gesagt, er führe seine Schafe in die Irre. Und so weiter. Genau diese "Christen" sind der Grund, warum wir sichtbar sein wollen als "Allys" (Verbündete) der LGBT-Gemeinschaft.

Es bleibt ein spaltendes Thema für viele Menschen und ich könnte noch einige Absätze dazu schreiben, aber ich konzentriere mich mal darauf, was wir konkret erlebt haben. Ich belasse es bei einem Slogan der UCC: "Sei vorsichtig, wen du hasst - es könnte jemand sein, den du liebst"...


Unser Banner, getragen von Mia und Elsa (Erics Tochter)
"Wer immer du bist und wo immer du bist auf der Lebensreise - du bist willkommen"

Am Sonntag dann liefen wir mit anderen Kirchen in der Pride Parade mit - eine Veranstaltung, in der alle nur froh sind, gemeinsam da zu sein und Diversität zu feiern. Pride heißt Stolz - weil es befreiend ist, auf das stolz sein zu können, was so viele mit Verachtung strafen. Es waren Momente wie in Stonewall 1969, als Polizeibeamte in New York in eine schwule Bar einmarschierten und die Gäste drangsalierten, die diese öffentlichen Protestparaden nötig und wichtig machten. Heute haben sie eher Volksfestcharakter.

Wir brauchten eine Weile, um in dem Gewusel unseren Einsatz zu finden - die Parade folgt einer vorgeplanten Abfolge von Autos, Darstellern, Organisationen usw. - dann liefen wir eine gute Stunde (bzw. ich schob Chris' Rollstuhl). Am Ende der Wegstrecke wurden wir aufgefordert, auf den Gehweg auszuweichen und von da aus schauten wir uns den Rest der Parade an.


"Everybody loves Cake!"


Liebe ist für alle da.


Nach unserem Durchgang schauten wir uns den Rest der Parade an.


Unsere Peace-Flagge, die ich als Umhang um den Hals trug.

Glücklicherweise begegneten wir diesmal keinen Gegenprotestlern.

Soviel mal dazu! Heute startet unsere eigene Version der Arnsdorfer Mittwochsandacht (Sacred Space - Heiliger Raum) und ab morgen gibt. es eine Landeskonferenz der UCC zu besuchen...

Lieben Gruß,

Jakob


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