Ausflug nach Minneapolis

 

Minneapolis wird zusammen mit der Schwesterstadt Saint Paul "The Twin Cities" genannt - "Die Zwillingsstädte"

Letzte Woche verbrachte ich in Minneapolis. Minneapolis ist die Hauptstadt von Minnesota, dem westlichen Nachbarstaat von Wisconsin. Am "Mighty Mississippi" (dem mächtigen Mississippi) gelegen, bildet es mit der Stadt am anderen Ufer, Saint Paul, eine große Einheit: The Twin Cities.


Grund dafür war eine große Predigerkonferenz, "Festival of Homiletics" (Homiletik ist die Kunst des Predigens), die namhafte Prediger und Gäste aus allen Teilen der USA und Kanada anzogen. Unser Quartier lag in Saint Paul, 15 Minuten Fahrt und einmal über den Mississippi ging es Tag für Tag zu den beiden großen Kirchen, die für das Festival ihre Pforten öffneten: "Central Lutheran Church" und "Westminster Presbyterian Church". Hier könnt ihr zunächst die lutherische Kirche bewundern (klicken zum vergrößern):


"Central Lutheran" ist Teil der Denomination "ELCA - Evangelical-Lutheran Church of America", die in ihrer Ausrichtung vergleichbar mit den deutschen Lutheranern in der EKD ist, also relativ weltoffen und liberal. Sowohl die deutschen lutherischen Landeskirchen als auch die ELCA sind Mitglied im Lutherischen Weltbund. Daneben gibt es hier noch konservativere Richtungen wie die Missouri Synod und die Wisconsin Synod, die eher mit der deutschen SELK (Selbständige Evangelisch-Lutherische Kirche) vergleichbar sind. Diese Kirchen haben meist keine Frauen-Ordination, teilweise dürfen Frauen auch keinerlei Wahl- oder Amtsrechte in der Gemeinde ausüben (außer Kuchen backen vermutlich) und die Theologie ist konservativ und auf Abgrenzung ausgerichtet. So dürfen Mitglieder dieser Synoden kein anderes evangelisches Abendmahl einnehmen, da nur die wahren Lutheraner - und so weiter.

Was ich interessant fand in "Central Lutheran" waren einige Glasfenster auf Augenhöhe, die offenbar die "lutherischen Nationen" Europas repräsentieren sollen (oder die Herkunft der Gemeindemitglieder?): darunter an erster Stelle die deutsche Reichsflagge. Das Gebäude wurde 1926-1928 im gotischen Stil errichtet, also eigentlich zu Zeiten der Weimarer Republik (mit der Flagge Schwarz-Rot-Gold). Wer weiß:


Danach folgt eine Flagge mit rotem Löwen (?) auf weißem Grund, die ich nicht recht deuten konnte, dann die Flagge von Schweden und Finland ...


... Dänemark und Norwegen ...


... Island, Russland, dann eine Flagge Blau-Weiß-Rot (nicht Niederlande), die wohl für verschiedene slawische Staaten verwendet wurde (?), und schließlich die Schweiz.

Aber ich verliere mich schon wieder in nutzlosen Details. Hier ein Einblick in die andere Kirche, "Westminster Presbyterian" - also eine Reformierte Kirche:



Definitiv ein interessanter Bau, besonders mit der zentralen Staffelung von Orgel, Kreuz, Ältestensitze, Altar, Bibel sowie den geschwungenen Seitenaufgängen zu den Emporen:


In beiden Kirchen waren große Bildschirme angebracht, die gemeinsame Gebete und Liedtexte anzeigten während der Gottesdienste. "Westminster Presbyterian" hatte zudem einen beeindruckenden, modernen Anbau, leider konnte ich die Architektur und Skulpturen nicht gut in Fotos einfangen, nur diesen Eindruck von einer Ecke des Gebäudes, in dem die komplett verglasten Außenwände in psychedelischen Farben getönt waren:


Im Laufe von vier Tagen erlebten wir 17 Einheiten, die entweder als Gottesdienst mit Predigt (und ich meine 30-40 Minuten Predigt, also eher Predigt mit bissel Gottesdienst drumrum) oder als Vortrag gestaltet waren (aber etliche der Vorträge waren letztlich auch Predigten...), was man halt von einem Predigerfestival erwarten kann! Viele der Predigten wurden von schwarzen Predigern gehalten, darunter dem Bischof der Anglikanischen Kirche in Amerika, Michael Curry, der auch zum letzten Royal Wedding (Harry & Meghan) gepredigt hatte. Dabei war die Energie, die rhetorischen Mittel und Emotionen beeindruckend, die auch das Publikum mit Zurufen (Amen! Come on! Preach!) mit einbezogen. Für Michael Curry gab es sogar einen Pianisten, der besonders emotionale Passagen der Predigt mit improvisierten Klängen unterlegte! Einige der Predigten waren frei, andere stark ans Manuskript gebunden, doch alle mit großer Leidenschaft vorgetragen. Ein anderer Prediger war zum Beispiel Otis Moss III, der in der Kirche von Barack Obama Dienst tut. Wer sich einen Eindruck verschaffen will, braucht die genannten Namen nur bei Youtube einzugeben - aber das Gefühl, im Publikum wie in einem hoch aufmerksam bis begeisterten Schwarm-Organismus zu sitzen, kann man schwer vermitteln. Vielen der Prediger gelang es eindrucksvoll, die Menge von erhebenden, leidenschaftlichen Momenten in Momente der Stille und zurück zu führen, dann wieder die Stimmung durch einen Scherz zu erleichtern, all das in rhetorischen Wellen und Abwechslungen, die die Aufmerksamkeit der Menschen immer wieder an sich band.

Unser Quartier war eine Ferienwohnung, die wir uns mit vier Kanadiern teilten: Read, ein Freund von Eric aus Studientagen, ist Pfarrer in der United Church of Canada, und brachte weitere Kanadier mit sich. Am Dienstag waren wir daher auch zum gemeinsamen Dinner mit der gesamten Delegation der kanadischen Unierten geladen und saßen zu Tisch mit der sympathischen Leiterin (Titel ist moderator) Carmen Lansdowne (große Ähnlichkeit mit der deutschen Außenministerin!). Die United Church of Canada wurde hauptsächlich aus Reformierten, Methodisten und Congregationals (englische Reformierte) gebildet, hat also noch einen stärker reformierten Touch als die amerikanische UCC.

Am Mittwoch besuchten wir Erics Freund Thor (heißt wirklich so - Sohn norwegischer Einwanderer) mit seiner niederländischen Frau Jara und ihrem Sohn Bjorn, der ein Auto-Bastler ist, weswegen wir seine kleine Midget bewundern konnten (Eric und Bjorn im Bild):


Und am Donnerstag, da wir nach fünf Predigten der Worte noch nicht genug hatten, besuchten wir abends die Hamlet-Vorstellung im Guthrie Theater. Sowohl das Gebäude als auch das Bühnenbild waren beeindruckend modern und minimalistisch. Zugleich war die Vorstellung an sich klassisch, also mit dem originalen alt-englischen Text von Shakespeare - eine tolle Mischung. Die Rollen, darunter der Hamlet gespielt von Michael Braugher, waren fantastisch gespielt:

Theater review: The Guthrie stages a passionate, insightful 'Hamlet' for  60th anniversary – Twin Cities

Hamlet inmitten seines berühmten Monologs: Sein oder Nichtsein ...

Homepage | Guthrie Theater

Das Guthrie Theater mit der Aussichtsplattform, die auf den Mississippi und die Stadt schaut

Zudem besuchten wir am Donnerstag Nachmittag das George Floyd Denkmal, an dem viele Menschen Blumen und kleine Gegenstände niedergelegt haben. Wer das verpasst haben sollte, am 25. Mai 2020 verließ George Floyd einen Laden und wurde kurz darauf von der Polizei gestoppt, weil der Besitzer des Ladens behauptete, Floyd habe einen gefälschten 20-Dollar-Schein benutzt. Floyd wurde festgenommen und dabei auf den Boden gedrückt, der Polizist drückte dabei sein Knie fast zehn Minuten lang auf Floyds Hals, bis dieser schließlich erstickte. Seine letzten Worte waren: "I can't breathe" - "Ich kann nicht atmen". Floyds Tod wurde zum Symbol des Rassismus besonders unter weißen Polizeibeamten in den USA und sorgte wochenlang für Unruhen. Denn leider ist dies nur ein Beispiel von vielen, wie die Polizei besonders gegenüber Schwarzen oft maßlose Gewalt anwendet. Schockierend in diesem Fall war besonders, dass Zeugen das Verbrechen filmten und der Polizist nicht die geringste Spur von Reue zeigt, während George Floyd am Boden erstickt. Er war 46 Jahre alt und hinterließ fünf Kinder, darunter seine 6-jährige Tochter.

George Floyd.png

George Floyd

Hier einige Fotos von dem Ort, wo es passierte, von vielen Menschen zum Denkmal verwandelt:



Ein Poster mit dem abstrakten Gesicht George Floyds


Viele Menschen haben persönliche Gegenstände zu dem Ort des Geschehens gebracht


Eine metallene Faust mit der pan-afrikanischen Flagge

Am Freitag schließlich machten wir uns auf den Rückweg mit einer Zwischenstation im St. Olaf's College und durch das Mississippi-Tal:


Saint Olaf's College ist eine kleine Universität südlich von Minneapolis, die wie viele Universitäten im englischsprachigen Raum wie eine eigene kleine Stadt angelegt ist: in der Mitte liegen die Veranstaltungsgebäude, rundherum sind die Dormitories (Wohnräume für die Stundenten) verteilt; für die meisten gilt eine Residenzpflicht - wer dort studieren will, muss auch dort wohnen. Dies fördert eine größere Gemeinschaft unter den Stundenten, die dann eben nicht über eine Stadt verteilt wohnen und studieren, sondern eine eigene kleine Ortschaft für sich bilden. St. Olaf's wurde von norwegischen Lutheranern gegründet und besitzt daher auch eine eigene Kirche. Heute ist St. Olaf's besonders für Kunst und Musik bekannt, aber auch viele andere Studiengänge sind verfügbar. Eric hat hier selbst Kunst (er war mal Bronze-Skulpteur) und Asiatische Studien studiert (er hat einige Jahre in verschiedenen asiatischen Ländern verbracht). Hier die Kirche, von dem wunderschönen Park aus gesehen:


Die Kirche war innen mit zahlreichen Glasfenstern geschmückt, in denen auch deutsche Reformatoren und Künstler Erwähnung fanden:


Oben die Lutherrose, Bugenhagen, Justus Jonas, Melanchthon, Calvin, darunter die Szene vom Reichstag zu Worms, "Luther Bible" und "Catechism"


Links finden die Musiker Philipp Nicolai, J. S. Bach, Paul Gerhardt und Händel Erwähnung, in der Mitte Gustav Adolf II. - und rechts oben "University of Halle" an der Saale! 


Der Innenraum war mit den Landesflaggen der internationalen Studentenschaft gesäumt, auch eine deutsche Flagge war darunter.


Im Park hinter der Kirche gab es einen kleinen freistehenden Turm mit Windspielen, der an Studenten und Alumni von Saint Olaf erinnert, die in diversen Kriegen gefallen sind

Eric und Lauras Tochter Elsa studiert auch in Saint Olaf und war gerade von einem Aufenthalt in Australien und Neuseeland zurückgekommen. Wir sammelten sie ein und fuhren zurück nach Washington County (unserem Landkreis in Wisconsin) und überquerten dabei einmal mehr den majestätischen Mississippi.



Rückfahrt entlang des Mighty Mississippi


Am Sonntag gab es ein Pancake Breakfast in der Kirche und die Jugendgruppe gab mir eine Lektion in Sachen Baseball - doch dazu ein andermal mehr!

Goodbye and take care ...

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