Februar Update
Hallo liebe Leute,
nur mal ein Update aus dem täglichen Leben hier in den USA... inzwischen hat sich herauskristallisiert, dass ich also mit einer halben Stelle an der Peace Church hier verbleibe und für einige Arbeitsstunden pro Woche als Seelsorger auch weiterhin in meinem "Altenheim" wohnen bleiben kann. Darüberhinaus werde ich im Laufe der kommenden Monate eine weitere halbe Stelle in einer Gemeinde in der Nähe suchen, aber zumindest die Grundversorgung ist erstmal gesichert. All diese Absprachen sind erstmal für ein weiteres Jahr (also bis Februar/März 2025) und dann kann man weitersehen. Über meine eigentliche Arbeit hinaus habe ich angefangen in eine Art Benefiz-Café zu arbeiten als Freiwilliger, also unbezahlt. Die Profite des Cafés gehen monatlich an einen guten Zweck in und um West Bend. Weiterhin biete ich monatlich einen Gottesdienst im Reha-Zentrum "Samaritan" (der gute Samariter sozusagen) an. Auch habe ich einmal für die Nachbargemeinde "New Horizon" (Neuer Horizont) gepredigt und meine erste amerikanische Bestattung vollzogen.
Die Bestattungskultur ist dabei sehr anders: vor der Beerdigungsfeier gibt es oft eine ein- oder zweistündige "Visitation", wo die Familie neben der Urne oder dem (geöffneten!) Sarg stehen, um Kondolenzen Angehöriger und Freunde entgegenzunehmen (also was bei uns ganz am Ende käme). Der Leichnam wird seines Blutes entleert und stattdessen mit Formaldehyd vollgepumpt, somit haltbar gemacht, dann geschminkt. Gruselig ist das schon, denn einerseits sieht es ein bisschen aus, als ob der Verstorbene gleich aufwacht, andererseits wirkt das Gesicht auch ein bisschen künstlich, wie aus Plaste. Nach der Bestattungsfeier gehen die meisten Leute nach Hause, und nur die engste Familie kommt mit zum Grab, wenn überhaupt. Der Pfarrer spricht noch ein paar Worte, dann wird der Sarg mit eine Art Fahrstuhl (sehr unzeremoniell) in einen Betonkasten heruntergefahren. Viele Familien bleiben dafür nicht mal. Also der eigentliche Moment, in dem der Tote in das Erdreich sinkt, hat gar keine besondere Rolle, was ich sehr befremdlich fand. Auch die Haltbarmachung des Körpers und der Beton-Sarkophag, der dann auch eigens mit einer Platte versiegelt wird, ist doch merkwürdig. Zudem werden Gräber nie "weggemacht", denn es gibt ja genug Platz. Als ich erzählte, dass Tote in Deutschland einfach in der Erde verrotten und dann nach 25 Jahren Gräber wieder eingeebnet werden, staunte man. Hier bleibt das Grab einfach bestehen - allerdings geht selten jemand hin! Denn die Gräberfelder sind oft abseits der bewohnten Gegenden, und kein einziges Grab ist bepflanzt, nur der Grabstein steht dann da. Manchmal legen Leute Blumen, Fähnchen oder Kränze hin, aber der Friedhof ist mitnichten ein Pflanz- und Sozialort wie in Deutschland.
Bei dem Benefiz-Café (namens The Hub - in etwa "der Treff") mache ich mit, weil ich einfach was anderes außer Kirche machen wollte und um neue Leute kennenzulernen. Dabei mache ich ganz normale Sachen: Bestellungen entgegennehmen, Tee kochen, Kaffee abfüllen (jedoch noch nicht die komplizierteren), Boden wischen und was sonst eben zu tun ist. Vier Stunden am Freitag verbringe ich dort, meistens unter Aufsicht meiner freundlichen Chefin Tiffany.
Morgen ist ja Valentinstag und da werde ich in Lilys Blumenladen aushelfen als Blumenfahrer. Ich fahre also Bestellungen aus zu all den Leuten, die auf diesen Trick der Floristenindustrie reingefallen sind die ihren Liebsten einen Strauß geben und nicht mit leeren Händen dastehen wollen. Abends ist dann Aschermittwoch-Gottesdienst, wo ich predige, wir gemeinsam Abendmahl haben und dann alle ein Aschekreuz auf die Stirn bekommen (ja, wie bei den Katholiken). Für Lily werde ich diesmal keine Blumen besorgen, davon hat sie glaub ich genug, sondern habe einen Geschenkbeutel zusammengestellt, von dem sie noch nichts weiß. Letzte Woche habe ich sie auf Anstiften der Konfirmanden gefragt, ob sie mein "Valentine" sein will, also ob wir uns am Valentinstag treffen wollen, wozu sie begeistert einwilligte. Überhaupt darf ich mich regelmäßig von den Konfirmanden aufziehen lassen und mich ihrer bohrenden Fragen erwehren, seit sie mitbekommen haben, dass zwischen Lily und mir "was läuft". Denn da einige der Kinder auch im örtlichen Supermarkt arbeiten, entgeht ihnen nichts! ("Für wen sind denn die Pralinen, Jakob?")
Vermutlich wird mich die versammelte Gemeinde förmlich in mein Amt als "Associate Pastor" (sowas wie "beisitzender" Pfarrer?) berufen am 3. März, also auf den Tag genau ein Jahr nachdem ich hier ankam. Der Ordinationsprozess läuft dessen ungeachtet parallel weiter. Für meine Berufung hier zur Friedenskirche werde ich zunächst eine "Lizenz" erhalten, unterdessen muss ich momentan eine "psychologische Evaluation" durchlaufen, die hier standardmäßig dazugehört. Dann wird der Ordinationsausschuss entscheiden, wie es mit mir weitergeht. Wer weiß, vielleicht finden die auch endlich raus, dass ich verrückt bin und schicken mich zurück nach Deutschland!
Ansonsten mache ich weiterhin meine regelmäßigen Hausbesuche bei den Leuten, die mich oft kreuz und quer durch die umliegende Gegend führen, oder ich bin zum Essen oder zu Spieleabenden eingeladen, wo ich dann immerhin schaue, dass ich ein Dessert mitbringe (letztens Zitronentarte). Auch unser monatliches "Gemeinschaftsmahl" am ersten Mittwoch des Monats findet weiterhin guten Zulauf. Einmal halbjährlich treffen sich Pfarrer und Schulaufsicht, einschließlich Lehrer und Schüler, um sich gegenseitig auf dem Laufenden zu halten. Alle zwei Wochen treffen sich die Glaubenskurse (von denen ich einen leite) und die Trauergruppe, die ich ebenfalls leite.
Last but not least wurde ich vor kurzem von der Polizei angehalten! Hier ist es ja so, dass die Polizei hinter einem fährt. Man bleibt im Auto sitzen und fährt nur das Fenster runter. Der Polizist war sehr freundlich und wies mich darauf hin, dass eins meiner Bremslichter kaputt sei. Dabei stellten wir dann auch fest, dass die Registrierung des Autos abgelaufen ist, ebenso der Versicherungsschein, und dass ich einen Führerschein vom Staate Wisconsin benötige. Dennoch gab es kein Bußgeld, nicht mal eine förmliche Verwarnung (genau genommen hätte er mir 200$ Bußgeld für die fehlende Registrierung aufdrücken können). Um all diese Dinge durfte ich mich also dann erstmal kümmern, und bin nun stolzer Besitzer eines Wisconsin-Führerscheins!
Ansonsten freuen Lily und ich uns riesig auf unsere Deutschlandreise, die nun immer näher rückt...!
Alles Liebe,
Euer Jakob
Comments
Post a Comment